Predigt - WIR SIND TIDDISCHE

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Die Predigt von Arne Christian Sawall LKG
Tiddische zum Ernstedank-Gottesdienst
am 23.September 2018

Die Freude am Herrn ist eure Stärke

Es war im Sommer 1994, als ich auf der Deutschen EC-Tagung in Mannheim war. Mehrere 1.000 junge Menschen feierten an einem verlängerten Wochenende 100 Jahre Deutscher EC-Verband. Bei der Anmeldung gab es schicke Jute-Beutel, ähnlich diesem hier. Zudem wurde für die damalige Zeit „High Tech" aufgefahren. Bereits am Abend war es möglich, Videos, die am Vormittag mit riesigen Videokameras auf Videokassetten aufgenommen wurden, auf Leinwand zu zeigen — über Beamer, die man mindestens zu zweit tragen musste.
Eines dieser Videos war eine Umfrage in der Innenstadt von Mannheim, in dem Passanten gefragt wurden, woran man einen Christen erkennen würde. Ein Passant meinte: „Einen Christen erkennt man an der Jute-Tüte und Birkenstock-Latschen."
Im Publikum sorgte diese Beobachtung für allgemeine Erheiterung. Es war vor Allem lustig, weil es ein gutes Stück weit wahr war. Viele der Teilnehmer schleppten die ganze Zeit ihren Jutebeutel mit sich und trugen — Öko-Gerecht — Birkenstock-Sandalen. Damals auch: „Jesus-Latschen" genannt.
So lustig und ein Stück weit zutreffend die Antwort damals auch gewesen sein mag — mich hat sie nachhaltig nachdenklich gemacht.
Was zeichnet uns Christen eigentlich aus? Was sagen die Menschen, wer wir sind?
Welche Erfahrungen hat die Bevölkerung Tiddisches mit denen gemacht, die sich in der Barwedeler Straße 10 zum Beten treffen? Was sagen und denken sie über uns? Hinterlassen wir ein positives oder eher negatives Bild?
An vielen Stellen wird mir immer wieder gewahr, wie groß unsere Verantwortung als Christen ist. Oftmals reicht ja eine schlechte Erfahrung mit einer Person aus und der Stempel ist tief eingebrannt. Wenn in einem großen Laden ein Mitarbeiter mich nicht so behandelt, wie ich mir das vorgestellt habe, sage ich: In den Laden gehe ich nie wieder einkaufen. Obwohl es vielleicht ein Geschäft mit mehreren 1000 Mitarbeitern deutschlandweit ist. Aber wegen einer schlechten Erfahrung mit einem einzigen Menschen nehme ich Abstand und gehe zur „Konkurrenz."
Jeder Angestellte ist eben ein gutes Stück weit auch Repräsentant seines Unternehmens. An ihm messen wir, wie gut, wie zuverlässig und authentisch ein Unternehmen ist.
So ist es bei uns Christen auch. An uns messen die Menschen um uns herum, ob sie sich auf Jesus verlassen können und ob es sich lohnt, Jesus nachzufolgen.
Der Philosoph Friedrich Nietzsche hat einmal über die Christen seiner Zeit geurteilt.
„Die Christen müssten mir erlöster aussehen. Bessere Lieder müssten sie mir singen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte."
Wie sieht es mit der Christenheit zu Erntedank 2018 aus? Würde Nitzsche heute zum Glauben kommen? Schließlich haben wir seitdem knapp 150 Jahre Zeit gehabt, nachzuarbeiten.
Die Frage, die sich mir ernsthaft stellt ist, wie authentisch sind wir als Christen wirklich? Was sind unsere Stärken? Und spiegeln sich diese Stärken auch nach außen wieder? Oder predigen wir das eine und tun das andere? Was sind unsere Stärken? Bzw. zunächst einmal gefragt: Was SOLLTEN unsere Stärken sein? Im Buch Nehemia heißt es: „Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke!" Wie und wo drückt sich die Freude aus? Das Klischee, was Christsein nach außen hat ist oftmals: Alles, was Spaß macht, ist verboten und Lachen darf man bestenfalls im Keller.
Wenn die Freude aber doch unsere Stärke ist, wie äußert sich diese Stärke bei uns? Vor Allem auch die Freude am Herrn? Freude geht meines Erachtens immer auch mit Dankbarkeit einher. Ich habe selten jemanden gesehen, der undankbar war und aus dieser Undankbarkeit heraus eine Freude ausgestrahlt hat. Anders herum habe ich selten dankbare Menschen erlebt, die deprimiert und pessimistisch durchs Leben gegangen sind.
Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Es ist besser, ein Licht anzuzünden, als über die Finsternis zu schimpfen." Unser Licht ist die Freude am Herrn. Wo leuchtet sie bei uns? Ich erlebe immer wieder Christen, die sich über viele Dinge empören, sie verurteilen und sich über Missstände ereifern. Aber wo zünden wir wirklich ein Licht an, um die Finsternis zu erhellen?
Nur ein dankbarer Mensch kann liebevoll mit der Wirklichkeit umgehen. Auf was lege ich also meinen Fokus? Ich beobachte es immer wieder bei mir selber, wie sehr ich von meinen eigenen Hoffnungen, Wünschen und Erwartungen getrieben werde. Wenn die nicht erfüllt werden, bin ich schnell unzufrieden und stehe in der Gefahr, zu resignieren.
Jüngstes Beispiel ist das Oldtimertreffen. Ich hatte mit deutlich mehr Ausstellern und Besuchern gerechnet. Ich hatte mir mehr von dem erhofft, was Arno Backhaus hätte rüberbringen sollen. Wenn ich an das vergangene Jahr denke, da waren zwischendurch bis zu 80 Fahrzeuge da. Dieses Mal waren es um die 30. Letztes Jahr waren es mindestens 300 Besucher. Wie viele es dieses Jahr waren, habe ich mich noch nicht zu mutmaßen getraut. Wären die Zahlen genau umgekehrt gewesen, wäre ich letztes UND dieses Jahr superglücklich gewesen. Oder wenn es sich wenigstens verteilt hätte. Wenn in beiden Jahren 50 Wagen und 200 Besucher dagewesen wären. Aber so sind es meine unerfüllten Hoffnungen und Erwartungen, die meine Stimmung bestimmen. Und ich muss mich wirklich darauf konzentrieren und es mir ins Gedächtnis rufen, für was ich dankbar sein kann. Und dankbar sein will.

Aber — um auf Erntedank zu kommen - Sieht es bei der Ernte dieses Jahr nicht vielleicht ganz ähnlich aus? Letztes Jahr sind große Teile der Ernte abgesoffen, dieses Jahr ist etliches verdorrt. Wie viel besser wäre es doch gewesen, wenn das Wetter von beiden Jahren vermischt worden wäre? Was wären das jeweils für grandiose Sommer gewesen? So aber haben wir zwei Extreme erlebt und mancher mag sich schwertun, Dankbarkeit zu empfinden.

Als ich vor einigen Wochen durch den Harz gefahren bin, kam ich auch an der Okertalsperre entlang. Letztes Jahr war sie richtig voll. So voll, dass in Goslar sogar landunter war. Als ich dieses Mal nach Wochen der Dürre daran entlang kam dachte ich: „Oh, da fehlt ja ganz ordentlich was draus." Aber ich habe auch schon Zeiten erlebt, in denen deutlich weniger Wasser darin war.
So können wir dieses Jahr von der Katastrophe letztes Jahr quasi zehren. In anderen Landesteilen sieht das sicherlich anders aus. Und natürlich ist es auch schlimm, dass so mancher von Existenzängsten geplagt wird oder vielleicht sogar seinen Hof dicht machen musste.

Aber Lamentieren bringt uns nicht weiter. Es ändert nichts an unserer Situation. Vielmehr verschlimmert es unsere Situation, wenn wir unseren Fokus auf das legen, was uns fehlt und nicht auf das schauen, wie es positiv weiter gehen kann. Natürlich ist es auch dran, Verluste zu betrauern und nicht einfach wegzuwischen. Natürlich ist es auch gut und wichtig, über verlorenes oder misslungenes zu klagen. Darüber habe ich in den vergangenen Wochen ja auch schon zu verschiedenen Gelegenheiten gesprochen. Aber es wird problematisch, wenn ich meine Dankbarkeit davon abhängig mache, ob meine Hoffnungen und Erwartungen erfüllt werden. Wenn ich meine Dankbarkeit von meinem Wohlstand abhängig mache. Wo ist es für dich dran, ein Licht zu entzünden, statt über die Finsternis zu schimpfen? Wie gelingt es, dieses Licht zu entzünden?

Ich glaube, dass die Grundlage dafür ist, sich nicht in erster Linie auf seine materiellen Besitztümer zu besinnen. Sich nicht in erster Linie zu überlegen, was ich alles  habe.
Vielmehr gilt es ganz grundlegend, sich bewusst zu machen, wer ich selber bin und was ich kann. Nicht, welche Ressourcen ich äußerlich habe, sondern welche Ressourcen ich in mir trage. Was zeichnet DICH aus? Was kannst DU besonders gut? Wofür bist DU Gott dankbar, was er in dich hineingelegt hat?
Ja, ich weiß, dass das oft eine schwere Frage ist, wenn man seine eigenen Stärken nennen soll. Aber ich halte es dennoch für wichtig, dass du deine Stärken kennst und sie auch benennen kannst. Nicht, um sich selber auf die Schulter zu klopfen. Nicht um anderen zu zeigen: „Seht her, was ich alles kann. "Nicht, um hochmütig zu werden. Sondern vielmehr um die Dankbarkeit ins Leben zu lassen.
So sagt es ja auch David in Psalm 139: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele." David feiert hier, dass er wunderbar gemacht ist. Aber nicht aus dem Grund, weil er sich selber für einen tollen Hengst hält. Vielmehr macht ihn diese Erkenntnis demütig vor Gott. Weil er erkennt, dass er nicht aus sich selber heraus der ist, der er ist. Dass er nicht aus sich selber heraus sich seinen Status verdient hat. Sondern dass Gott ihm Gaben und Talente gegeben hat, aus denen er das werden konnte, was er ist. Er hat sich nicht selber ausgesucht, was er kann und was nicht. Er hat von Geburt an Gaben und Talente bekommen, durch die er der werden konnte, der er ist.

Was sind deine natürlichen Gaben, für die Du Gott danken willst? Manuela hat diese Frage vorhin gestellt und ihr hattet schon einige Zeit, euch Gedanken darum zu machen. Übe dich heute bitte nicht in falscher Bescheidenheit. Es geht nicht darum, sich selber auf die Schulter zu klopfen, sondern Gott. Ihm zu sagen: „Danke Gott, dass ich gut malen kann. Oder gut zuhören. Oder gut kochen. Oder gut musizieren." Darauf wollen wir uns dieses Jahr an Erntedank konzentrieren. Es geht dabei nicht um eine falsche Bescheidenheit oder eine falsche Demut, es geht aber auch nicht darum, sich selber großzumachen. Vielmehr geht es darum, der Wahrheit ins Auge zu schauen. Und ich bin der Überzeugung, dass es wertvoll und notwendig für einen Menschen, aber auch für seine Familie und seine Gemeinde ist zu wissen, welche Gaben man hat. Deswegen lade ich dich ein, deinen Zettel mit deinen Gaben hier nach vorne zu bringen, an diese Puppe zu heften und dadurch den Leib lebendig zu machen, von dem Manuela vorhin gesprochen hat.
Ist es nicht wunderbar, welche Gaben Gott alles in diesen Ort und in diese Gemeinde gegeben hat?

Für einen Landwirt ist es wichtig, dass er seinen Boden kennt. Dass er weiß, was er wo, wann und wie anbauen kann, damit der Boden den optimalsten Ertrag bringen kann. Das maximiert im Regelfall nicht nur seinen Gewinn, sondern treibt auch seine Dankbarkeit nach oben. Hoffentlich.
Wenn ich meinen Boden kenne und weiß, was ich mit meinen Gaben hervorbringen kann, indem ich sie richtig einsetze, so besteht auch die Chance, dass ich in meinem Leben die Dankbarkeit nach oben treiben kann. Unabhängig von äußeren Umständen und wie gut eine Ernte ausfallen mag. Weil ich dann meinen Wert nicht mehr an meinen Erflogen und Leistungen festmachen muss, sondern weil ich meinen Wert in Jesus Christus festmachen kann.
Dass ich nicht mehr in erster Linie dafür dankbar sein muss, was ich habe, sondern ganz ehrlich dankbar dafür sein kann, wer ich bin. Dass ich nicht nur lx im Jahr Erntedankfest feiere, sondern jeden Tag immer wieder neu ein „inneres" Erntedankfest feiern kann.
Amen.



 
Arne Christian Sawall, 23.09.2018

 
 
 
 
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