Seite_3 - WIR SIND TIDDISCHE

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Vermutlich saß jener Tiadde in einem von ihm selber (womöglich auf einem alten Ringwall) gegründeten Bergfried oder in einer noch hölzernen Festung bei Dallengebudli (Dannenbüttel), die schon damals den Namen Sassenburg trug, weil er die gleich nördlich und nordöstlich davon sitzenden Wenden zwischen Ise und Drömling beherrschen und beim Sachsentum (unter fränkischer Oberhoheit) halten sollte. So betrifft die Tradition Nr. 30 das spätere Boldecker Land, den Vorsfelder Werder und das Land Brome mit.
 
Um 825 (?) war der Marschalk offenbar jung und nicht lange vermählt, weil er sich noch Söhne erwartete. Da er als kriegerischer Anführer in unsicherer Gegend jederzeit sterben konnte, sorgte er frühzeitig sowohl für etwaige Hinterbliebene als auch für sein Seelenheil. Tatsächlich überlebte er noch längere Zeit. Denn sicherlich war er identisch mit dem Tiado der Corveyer Tradition Nr. 82, die nur mehr zwischen 826 und 876 eingeordnet ist, also einige Jahrzehnte später liegen muß. Sie lautet:
 
Tradidit Eilger, presbiter, in Lianbeke in vice Tiadonis, quidquid ille Tiado ibi habuit. Testes: Abbi, Werindac, Waldman, Frideric. —
 
Es übergab Eilger, der Priester, in Lianbeke anstelle Tiados, was immer jener Tiado dort hatte. Zeugen: (4 Namen).
 
Die Ortsbezeichnung ist auf dem linken Rande des Manuskripts nachgetragen; auf dem Rande rechts ist Lyanbeke ausgeworfen.
 
Die Buchstabenfolge Lianbeke bedarf der Erläuterung; denn sie ist entstellt. Böttger sieht in ihr (nach Falke) den Hauptort des Boldecker Landes, Jembke, wahrscheinlich zu Recht. Sicherlich hat hier ein Schreiber, gar in wohlmeinender Absicht, einen slawischen Ortsnamen ins Scheindeutsche verballhornt. Kühnel stellt Jembke zu altsl. jama Grube, Fallgrube für Wild, jamnikü Grubenjäger, hier entweder Jamniki »die Grubenjäger"oder Jamki „die kleinen Gruben". Nördlich des nahe liegenden Rühen gibt es ein Waldstück, den Jonik (verkürzt aus Jamenik), in der Flur von Wendischbrome eine Jameneiz oder Joneiz; alle drei bedeuten dasselbe: „Gelände mit Wildgruben". Noch heute lautet der ON. Jembke im niederdeutschen Volksmund: Jaimeke bis Jämeke. — Der Schreiber jener Tradition nun hat versucht, ein slawisch gaumig gesprochenes J-, das ihm ungewöhnlich war, mit einer ihm geläufigen Buchstabenfolge wiederzugeben: er hat dafür Li- gesetzt (wie in den PN. Liafman, Liafward). Dies aber ist eine falsche Analogie-Bildung. Der hier zu betonende Vokal ist keineswegs das -i-, sondern das -a-, so daß ein Liänbeke aufklingt, das nur den akzentuierten Tongipfel hat, nicht einen zweiten etwa auf -be-! Die zweite (rechts ausgeworfene) Schreibung des Ortsnamens, Lyanbeke, erweist den j-Charakter gutturaler Art der Buchstabenfolge Ly-. Zudem ist das -b- in der Wortmitte nur euphonisch, nicht etymologisch begründet. Das hier ursprüngliche -m- (von jama) neigt ja in älterem Deutsch dazu, sich ein -b des Wohlklanges anzufügen; Beispiele: tumb, Ambt. Ebendies ist auch hier geschehen. Dabei brachte das uneigentliche -b- den Vorteil, nun aus der alten slawischen Endsilbe -ica, polabisch -(e)ke, ein scheindeutsches -beke Bach zu erfinden und zum vermeintlichen Grundwort zu befördern, obwohl Jembke allenfalls eine kleine Riede aufzuweisen hatte, vielleicht sogar aus ebendiesem Grunde. So war denn dem slawischen Ortsnamen eine gängige deutsche Erscheinungsform angedichtet worden.
 
Vier der Traditiones Corbeienses II enthalten den Ortsnamen Thiaddagheshus(un) oder Thieddikeshus(un) oder Thieddegeshus(un).
 
Um zu klären, ob es sich bei den drei genannten Namen um das hiesige Tiddische handeln kann, führen wir die vier Traditionen nacheinander auf und erläutern sie dabei.
 
Nr. 431: Traditit Adaldagus pro filio suo Maginhaldo XL iugera et j iurnalem et IIII mancipia in Thiaddagheshus(un). — Es übergab Adaldag für seinen Sohn Maginhald 40 Morgen Landes und ein halbes Tagwerk und 4 Eigengüter in T. (ca. 989-992)
 
Der deutsche Ortsname Thiaddagheshus(un) setzt sich aus drei Wörtern zusammen: thiad (thied) entspricht dem späteren diet und bedeutet »Volk"; daghes ist der Genitiv von dag(h), dies gehört vermutlich zu keltisch dago „gut"; hus(un) entspricht dem heutigen „-hausen". Mithin bedeutet der Name „die Häuser (die Siedlung) des Volks-Guten, des Wohltäters für das Volk". Seine Zusammensetzung gleicht ganz derjenigen von Ricdageshusun, Riddagshausen (bei Braunschweig), welches „die Häuser des guten Herrschers" bedeutet.
 
Nr. 441: Tradidit Badagad pro Bermer unam familiam in Thieddikeshus(un). — Es übergab Badagad für Bermer eine Familie (abhängiger Bauern) in T. (ca. 993-996)
 
Da diese Tradition wohl mit Nr. 440 zusammenhängt, in welcher der Ort Aldantorp vorkommt, könnte es sein, daß wir es mit zwei fast benachbarten Dörfern zu tun haben.
 
Nr. 462: Tradidit Bunico pro patre suo Hoia in Thieddeges-hus(un) XX iugera et I iurnalem. Tradidit Thangmarus pro fratre suo Buniconem I iurnalem et XV iugera in eadem villa et in Aldanthorpe. — Es übergab Bunico für seinen Vater Hoia in T. 20 Morgen Landes und ein Tagwerk. Es übergab Thangmar für seinen Bruder Bunico ein Tagwerk und 15 Morgen Landes in demselben Dorf und in Altendorf. (ca. 1001-1002)
 
Nr. 477: Tradidit Hirimannus pro se et coniuge sua Ymman et matre sua Alfred quidquid habuit in Thieddegeshus(un).
 
— Es übergab Hirimann für sich und seine Gattin Ymman und seine Mutter Alfred, was immer er in T. gehabt hat. (ca. 1003-1005)
 
Wohl dieser Hirimann wird in Nr. 476 comes Graf betitelt. Seine Mutter Alfred war vermutlich jene, die schon in Nr. 467 als Gattin des Barda erschien, der für sie eine Familie in Altendorf übergab. Da also Barda und Alfred einen Sohn, den Grafen Hirimann, hatten, dürfen wir schließen, daß auch die Eltern gräflichen Ranges waren. Somit kommt über diese Familienbeziehung T. neuerdings mit Altendorf zusammen (477 und 467).
 
Neben Thiedressun bei Marungen (Nr. 473), das hier ausscheidet, gibt es laut Falke das Thieddegeshus(un) westlich von Einbeck, das zu Tiedexen geworden sei (im Mittelalter wüst gefallen). Das in Nr. 462 mitgenannte Aldanthorp könnte dann eine nahe dabei gelegene Wüstung sein, von der nur der Flurname Altendorfer Berg sich erhalten hat. Somit ist ziemlich sicher, daß ein Tiedexen und ein Altendorf westlich von Einbeck mindestens teilweise Corveysche Besitzungen gewesen sind. —

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