Seite_5 - WIR SIND TIDDISCHE

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Allen, an die das gegenwärtige Schriftstück gelangen wird: Ich, Ritter Baldewin von Wenden, Sohn des Baldewin, bekenne den Anwesenden öffentlich, daß mit der hinzukommenden Einwilligung und Billigung meiner Söhne Borchard, Baldewin und Heinrich ich das Eigentum von Gütern in Tiddische, nämlich einer Mühle, die jährlich 10 Wispel Winterweizen, einträgt; desgleichen eines Hofes, genannt der Meyerhof, dortselbst, der 4 Wispel Winterweizen einträgt; desgleichen eines Hofes dortselbst, genannt der Schaphof, der 2 Wispel Winterweizen einträgt; desgleichen dreier Höfe dortselbst, genannt Kothöfe, die 12 Schillinge braunschweigischer Pfennige eintragen, dem erhabenen Fürsten, meinem Herren, Herzog Albrecht von Braunschweig, und seinen wahren Erben übergeben habe und gegenwärtig übergebe, damit er es (das Eigentum) frei und immerfort besitze. Außerdem erkenne ich an, daß ich unter dem Titel und Recht des Lehens die vorgenannten Güter in Tiddische aus den Händen des genannten Herren, des Herzogs Albrecht, empfangen habe und daß von ihm selbst und seinen Erben meine Erben sie unter dem Recht seiner Lehnsmannen empfangen müssen. Zur Kenntnis dieser Tatsache habe ich den gegenwärtigen Brief aufsetzen und mit dem Schutz meines Siegels bekräftigen lassen. Die Zeugen dieses (Vorgangs) sind Herr Ekbert von Asseburg, Herr Ulrich von Suntstedt und Ludolf von Hondelage, (alle drei) Ritter, und mehrere andere vertrauenswürdige Herren. Gegeben und verhandelt Wolfenbüttel, den 29. April 1315.
 
 
Sudendorf erklärt in der Überschrift zu dieser Urkunde, sie beziehe sich auf Thiedexen bei Eimbeck. Aber hier irrt er vielleicht. Und in seinem Schlepptau wiederholen alle späteren Bearbeiter seinen Irrtum; wir nennen nur P. J. Meier, der im ersten Band der Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig unter Tiddische behauptet: »Der Name scheint slavisch zu sein und hat mit Thiddegessem (Thiedexen wüst bei Eimbeck) nichts zu tun." Doch beide Thesen sind wohl falsch: Der Name Tiddische ist deutsch; und das Didighessen unserer Urkunde hat mit der Wüstung Thiedexen bei Einbeck nichts, hingegen alles mit Tiddische im Vorsfelder Werder zu tun.
 
Denn Sudendorf gelangt zu seiner Meinung lediglich daraus, daß Herzog Albrecht (der Fette) den Zusatz von Braunschweig-Göttingen im Titel trug. So schließt er, das Thiedexen bei Einbeck sei hier behandelt worden, weil es Göttingen näher ist als der Werder. Unbeachtet jedoch läßt er, daß im Beinamen des Ritters Baldewin das Dorf Wenden, welches nördlich von Braunschweig liegt, aufgeführt wird. Er hat nicht bedacht, daß die Herzöge Heinrich (der Wunderliche), Albrecht (der Fette) und Wilhelm, als sie das Erbe ihres 1279 verstorbenen Vaters, Herzogs Albrecht (des Großen) von Alt-Braunschweig, wahrscheinlich 1282 untereinander teilten, zwar die Zusätze von Grubenhagen, von Göttingen und von Wolfenbüttel jeweils erhielten, daß aber ihre einzelnen Besitzungen und Rechte keineswegs regional voneinander getrennt wurden. Vielmehr erwarben und behielten die drei herzoglichen Brüder Streubesitz, der sich über das Gebiet ihres Vaters vielfältig vermengte. Insbesondere wurde dies der Fall, als Heinrich der Wunderliche von Grubenhagen und Albrecht der Fette von Göttingen 1292 das Erbe ihres früh verblichenen Bruders Wilhelm von Wolfenbüttel antraten, indem sie es ebenfalls aufteilten. Bei dieser Nachfolge erhielt jeder der beiden einen Fleckenteppich von Besitztümern aus dem Wolfenbüttelschen Nachlaß. Heinrich der Wunderliche verspielte durch sein räuberisches Ungestüm im Jahre 1300 das Land Brome, den Werder, das Land Stellfelde, den Hasenwinkel und das Gericht Rümmer: Siehe den Vorsfelder Vertrag unter Brome 1309! In diesem Vertrag aber wurde bestimmt, daß die grund- und schutzherrschaftlichen Verhältnisse in den an
 
Brandenburg und an Lüneburg verlorenen Landesteilen erhalten bleiben sollten. Nun besaß Herzog Albrecht von Braunschweig-Göttingen, der ja an der verhängnisvollen Fehde nicht teilgenommen hatte, ganz offensichtlich eine stattliche Reihe von Gütern in dem Raume, der die Stadt Braunschweig näher und weiter umgibt. Diesen Sachverhalt beweist Sudendorf selber, indem er (I., S. XXIV) erklärt: »Herzog Albrecht . . . verband 1307 den Neumarkt und die Goschaft mit der Stadt Helmstedt, entschädigte 1308 die Kirche zu Wettmershagen für einen zur Erbauung der Kirche in Allenbüttel hergegebenen Platz, . . . belehnte . . . 1315 . . . den Ritter Johann von Ampleben mit Gütern zu Bornum, Lelm und Eitzum, verpfändete im selben Jahre dem Conrad von Kaleberg das Dorf Sauingen und ließ sich 1316 vom Ritter Heinrich von Wenden dessen Güter zu Meine abtreten. Er starb . . . 1318."
 
Besonders die letzte Abtretung ist für uns von Belang. Heinrich von Wenden ist offensichtlich der in der obigen Urkunde vom 29. 4. 1315 genannte dritte Sohn des alten Baldewin von Wenden; das Dorf Meine, wo er Besitz hatte, liegt weit nördlich von Braunschweig im Papenteich. Gut 20 km nordöstlich davon, am Westrande des Vorsfelder Werders, liegt Tiddische. Nur hier — und nicht im Süden des fernen Einbeck — können wir das Didighessen unserer Urkunde orten, zumal da überdies alle namentlich genannten Zeugen ebenfalls dem Raum an der Ostseite der Stadt Braunschweig entstammen: die Asseburg lag östlich von Wolfenbüttel, Sun(t)stedt liegt bei Helmstedt, Hondelage nordöstlich von Braunschweig. Zeugen aus dieser Landschaft können unmöglich für das Leinetal südwestlich des Harzes zwischen Einbeck und Göttingen wirken, ohne daß auch nur ein einziger Mitzeuge aus dem letzteren Raume dabei wäre. Also ist kaum zu bezweifeln, daß das Didighessen unserer Urkunde das Tiddische des Vorsfelder Werders meint, welches wenige Jahrzehnte später (1366) unter dem fast gleichen Namen Didghesche erscheint.
 
Im einzelnen erfahren wir, daß es 1315 dort eine Mühle gab. Sie lag an der Kleinen Aller, die zu jener Zeit im Unterlauf noch Forneitz, im Oberlauf Du hieß. Noch auf Samuel Walthers Drömlings-Karte von 1737 ist bei Tiddische eine du Mühle verzeichnet. Von einem Meyerhof und einem Schaphof hören wir, die Bauernhöfe waren, endlich von drei kothove, Kothöfen. Alle diese Angaben entsprechen der 1366 im Ersten Gedenkbuch der Stadt Braunschweig überlieferten Hofgliederung in Tiddische; denn da heißt es: De mole to Didgesche und Dat dorp to Didgesche der sint VII bumane und der sint .V. koter. Baldewin von Wenden hatte mit seinen zwei Bauernhöfen und drei Kothöfen sowie der außerhalb liegenden Mühle nicht das ganze Dorf inne, wie das damals häufig war. Der Teil aber, den er besaß, paßt genau in die Struktur des Ortes. Solange von der Wüstung Thiedexen bei Einbeck nicht die genannten Einzelheiten der Dorfgliederung nachgewiesen sind, ist die Behauptung Sudendorfs und seiner Wiederholer nicht aufrecht zu erhalten. Von Tiddische im Vorsfelder Werder jedenfalls sind sie fast zeitgleich belegt.
 
Indem sich Ritter Baldewin 1315 unter die Lehnshoheit Albrechts des Fetten begab, suchten beide den Einfluß der Welfen in dem an brandenburgische Landesherrschaft verlorenen Werder wieder zu befestigen. Für die Rechtslage nicht unwesentlich war auch, daß die Herzöge von Braunschweig-Grubenhagen und -Göttingen dem Vorsfelder Vertrag ja keineswegs beigetreten waren, sondern daß in diesem die Sieger nur die Beute verteilt hatten. Einem solchen Diktat sucht man entgegenzuwirken.

 
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