Seite_4 - WIR SIND TIDDISCHE

◄ MENÜ
◄ MENÜ
Direkt zum Seiteninhalt
Die Tradition Nr. 82 bezeugt, daß Eilger stellvertretend für seinen Herrn Tiado handelte, und zwar zu einer Zeit, die wir auf etwa 850 schätzen. Als Priester stand Eilger nicht nur dem Ort, sondern dem Kirchspiel Liänbeke vor; und zu diesem gehört seit alters unter anderen Nachbardörfern auch Tiddische. Denkbar, daß Tiado, inzwischen alt geworden und vielleicht söhnelos geblieben, nun endgültig Güter an das Kloster Corvey vergab, um sein Seelenheil zu befördern. Möglicherweise war Tiddische unter quidquid . . . ibi habuit. Da ein Tiadde (Tiado) nachweislich zwischen dem 3. und 6. Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts Marschalk im Derlingo war, da er nachweislich im Allerbereich Güter besaß und die Corveyer Mission hier unterstützte, ist sehr wahrscheinlich, daß ein so bedeutender Mann im Zuge der Eindeutschung des Aller-Ilse-Winkels einem ihm zugefallenen wendischen Dorfe seinen Namen aufdrückte, um sich so zu verewigen. Tiadde und Tiado sind Kurzformen von Thiaddag. Daher kann der Name des eingedeutschten Wendendorfes Thiaddageshus(un) gelautet haben, vielleicht auch Tieddegeshus(un). Das Thiaddagheshus bei Einbeck mag sogar ein Vorbild dazu gewesen sein. So ist nicht auszuschließen, daß nur diese Namensform in Nr. 431 das Dorf bei Einbeck meint und daß die leicht davon abweichenden Formen Thieddikeshus in Nr. 441 und Thieddegeshus in Nr. 462 und 477 das Dorf bei Jembke bedeuten. Selbst wenn diese Vermutung eindeutig ausschiede, bleibt folgender Sachverhalt äußerst wahrscheinlich: Das Wort Tiddische kann auch aus der althochdeutschen Fügung T(h )iaddagiski liuti (Tieddegische Leute) entstanden sein. Es war ja gerade wendischer Brauch, aus einer solchen Verbindung das Substantiv fallen zu lassen und das verbliebene Adjektiv zum Ortsnamen zu machen: Tieddegische. Die eindeutig auf Tiddische zutreffende Form Didgesche von 1366 wäre dessen abgeschliffene Verkürzung und bestätigt unsere Deutung ganz und gar, indem lediglich das -e- der alten Wortmitte und das -e- aus dem Diphthong -ie- geschwunden sind. — Wir stellen hier zusammen, welche Verkürzungen der heute amtlich als Tiddische, im Volksmund als Titsche oder Ditsche gebräuchliche Ortsname so im Laufe der Zeit erfahren hat:

Volk(s)
— Gut(en)
— Adj. -Endg.
(Subst.)
9. Jh.
T(h)iad
— dag
— iski
(liuti)
1315
Did
—     igh
— essen

1366
Did
—      g
— esche

1539

— issen

1571

— d
— eschke

1643

— sche

1645

— d
— isch

1723

— sche

1731

— sche

Staatsarchiv Wolfenbüttel
21 Alt 1117 S. 438
Die ungemein klar abgefaßte Corveyer Tradition Nr. 30-gibt, wie wir meinen, auch über das Alter und die Art der hiesigen Wendensiedlungen Gewichtiges her. Vom Derlingau ist die Rede. Darin liegt das Dorf Dallengebudli (Dannenbüttel). In ihm sitzen liti und servi, Halbfreie und Unfreie (Sklaven). Über beide verfügt der Grundherr nach seinem Belieben. Auch in der Urkunde von 1337 über Voitze verfügt der Gutsherr über duos servos (zwei Sklaven). Dies Wort kann nach Lage der Dinge hier wie dort nur Wenden bezeichnen. Wenn Dannenbüttel um 850 so aus Liten und Sklaven gemischt war, so mag dieser Unterschied damals noch einen des Volkstums mit bedeuten; jedoch können wegen der längst vorhandenen Mischung sächsischer und wendischer Menschen im dortigen Grenzbereich auch schon Wenden zu Liten geworden sein.
Somit halten wir für unabweisbar, daß wendische Leute um die Mitte des 9. Jahrhunderts im Boldeckerland und darüber hinaus gesessen haben. Auch finden wir nichts, das ausschlösse, daß sie schon in Rundlingen gesiedelt hätten. Wären sie erst im 12. Jahrhundert durch Heinrich den Löwen hierzu gebracht worden, so hätte eine so einschneidende Landreform irgendwie vermeldet werden müssen, und zwar deutlicher noch, als aus dem 10. Jahrhundert Heinrichs I. Umbau der Siedlungen durch milites agrarii und locatores überliefert worden ist.
Den Ortsnamen Dallengebudli halten wir für einen Zwitter, der damaligen Mischung beider Volksteile gleichartig; denn das Bestimmungswort Dallen- durfte von asl. dalli gegeben abzuleiten sein und wie das polabische Dorf Dahlen (Dalym) in Mecklenburg zum slawischen Personennamen Dalim gehören (S. Kühnel, 1903, S. 291!) Auch das Wort Boldeckerland, eigentliche Bolkerland, ist ein gleichartiger Zwitter; Bolker kommt von Beilken oder Bolken nach dem Beilkenberg bei Dannenbüttel und leitet sich ab von asl. be/ü) schön, weiß oder von bolü, *bolik groß, und gora Berg, das letztere Wort zu -ker verkürzt. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß dieser Landschaftsname erst im 12. Jahrhundert aufgekommen wäre. Wir halten ihn, ebenso wie die hiesige wendische Landnahme, für vorkarolingisch. Selbst wenn keine Scherbenfunde dies bezeugen können, scheinen uns die hier und an anderen Stellen erörterten schriftlichen Zeugnisse ausreichend.
Daß Corvey auch weiter alleraufwärts begütert war, folgt aus der Tradition Nr. 537. Mit ihr erhielt das Kloster in Ocisfelde 50 Joch, 5 Höfe und 1 Tagwerk ca. 1016 bis 1020. Bei diesem Ort kann es sich nur um das durch Schreibfehler entstellte Öbisfelde handeln.
(Wortlaute, Nummern und Jahreszahlen der Corveyer Traditionen nach Honselmann)

1315 — Ritter Baldewin von Wenden nimmt seine Güter zu Tiddische von Herzog Albrecht von Braunschweig zu Lehen
Vniuersis ad quos presens scriptum peruenerit, Ego Baldewinus de wenden Miles, filius Baldewinj, presentibus publice recognosco, Quod accedente consensu et approbacione filiorum rneorum Borchardj, Baldewinj, et hinricj, proprietatem bonorum in Didighessen, videlicet vnius Molendinj soluentis annuatinz Decem choros, siliginis, Item vnius curie dicte Meyerhof ibidem soluentis, quatuor choros siliginis, Item vnius Curie ibidem dicte Schaphof, soluentis, Duos choros Siliginis, Item trium curiarum ibidem dictarum kothove soluencium Duodecim solidos Denariorum bruneswicensium, Illustrj principi domino meo Ducj Alberto de Bru-neswic, et suis veris heredibus, donaui, et dono, per presentes, liberaliter ac perpetuo possidendam, Preterea recognosco, Quod titulo ac jure feodj, predicta bona in Didighessen, suscepi a manibus dictj Dominj, Ducis Albertj, Et ab ipso et suis heredibus, mej heredes, suscipere debent pro jure suorum vasallorum, In Cuius facti noticiam, presentem literam conscribi fecj, et Sigilli mej munimine roborarj, Testes huius sunt Dominus Ecbertus de Asseborch, dominus olricus de Suntstede, et Ludolfus de holloge, Milites et quam plures alzj fide digni, Datum et actum wlferbutle, anno dominj. M. crt. XV fe-ria tercia in Rogacionibus.
(Sudendorf, I. Nr. 265)

Zurück zum Seiteninhalt